Weingeschichte
Die Bedeutung des Weines der Insel von der Kolonisierung bis heute
Am britischen Königshof schwärmte schon James Howell, damals königlich-britischer Historiograph zu der Zeit Charles I. von der Güte, Stärke, Haltbarkeit und dem Gehalt des Teneriffa-Weins. Auch der geringe Schwefel-und Verunreinigungsgehalt und die damit verbundene bessere Verträglichkeit werden von ihm lobend erwähnt. England war einer der Hauptabnehmer kanarischen Weins. Nach dem die Nachfrage nicht nur Adlige und Gelehrte, sondern auch andere Bevölkerungsschichten erfasste, wurde alles unter der herkunftsbezeichnung "kanarisch" verkauft.
Der kanarische Weinanbau hing in hohem Masse vom Handel ab. Leonardo Torriani, italienischer Ingenieur, der seinerzeit die Festungsanlagen inspizierte, schrieb bereits Ende des 16. Jhdts.; wer hier lebt, hat sich der Herstellung oder dem Handel von Waren verschrieben. Teneriffa besass vor allem durch seine Auswanderer zahlreiche Verbindungen zum Ausland. Ausländische Geschäftsleute kamen scharenweise auf die Insel, um am Weinexport in die Neue Welt teilzunehmen.
Mitte des 17. Jahrhunderts zählte man unter den ca. 50.000 Einwohnern mehr als 1.500 englische und holländische Neubürger. Als sich im Laufe des 18. Jhdts. die Inselwirtschaft wieder erholte und stabilisierte, war dies in erster Linie dem Unternehmergeist einiger ausländischer Handelhäuser, allen voran den Iren, zu verdanken. Die Iren hatten den Vorteil der zweifachen Staatszugehörigkeit (spanisch-englisch), was sie dazu ausnutzten, auf vielen Märkten gleichermassen zu konkurieren.
Nicolas Berard Valois Fitzgerald war um 1730 einer der erfolgreichsten Händler. Sein Schwiegersohn John Cologan Blanco war in den 60er Jahren des 18. Jhdts. nicht nur unumstrittener Chef der irischen Gemeinde, er übernahm fast die ganze Insel. Sein Weinhandelskartell empörte die ansässigen Aristokraten, doch Cologan ist es möglicherweise zu verdanken, dass der Weinhandel auf Teneriffa sich wieder erholte.
Der bis dahin aus der zweitklassigen Vidueno-Traube gekelterte Wein brachte nur mittelmässige Resultate und war eigentlich nur für den einheimischen Markt gut genug. Auch wenn es nicht Cologans Idee war, diesen billigen Wein in eine Art Madeira-Abklatsch zu verwandeln, er trug jedenfalls zum Aufschwung des Teneriffa-Weingeschäfts bei.
Cologan sorgte dafür, dass sein Wein die richtige Farbe und den entsprechenden Gehalt bekam und vermarktete ihn in grösseren Fässern zu konkurrenzfähigen Preisen. So exportierte er ihn ab 1766 zu weniger als der Hälfte des Preises des Madeira in das britische Indien, in der Hoffnung, dass die East India Company alle ihre Schiffe nach Teneriffa schickt, wenn ihre Direktoren sich an die neue Qualität gewöhnt haben. Der Ersatz-Madeira trug dann schliesslich erheblich dazu bei, Teneriffas Wirtschaft wieder auf Vordermann zu bringen. uch in den amerikanischen Kolonien Englands war er beliebt. Auch Cologans Anstrengungen in Ostindien waren von Erfolg gekrönt. Sein "Madeira" etablierte sich als Modegetränk, es bescherte den Kolonialbeamten den billigen Hauch weltmännischen Geschmacks.
Auch heute kann man noch den Wohlstand erahnen, den einige Städte wie La Orotava genossen haben, die durch den Weinhandel einen gewissen Reichtum erlangten. Teneriffa hielt immer den Löwenanteil der Handelskonzessionen mit der Neuen Welt.
Als 1778 durch einen Erlass einige ausgewählte Häfen uneingeschränkter Handel erlaubte, war von den Kanaren nur Santa Cruz de Tenerife vorgesehen.
Die Insel produzierte um 1770 viermal so viel Wein, doppelt so viel Getreide und dreimal soviel Kartoffeln als die anderen Inseln. Der Wohlstand wuchs und war auch auf kultureller Ebene spürbar. Doch Ende des Jahrhunderts schlitterte der Handel in eine sorgenvolle Krise. 1797 belagerte Admiral Nelson mit seinen Schiffen den Hafen von Santa Cruz. Bei dem Versuch, Santa Cruz von der Seeseite her anzugreifen, eröffnete am 25. Juli 1797 der siegesgewohnte Admiral Nelson von 400 auf acht Schiffen installierten Geschützen das Feuer.
Den Angriff auf die Stadt musste Nelson mit dem Verlust des rechten Armes bezahlen. Als Nelsons Attacke abgewehrt worden war, ruderten einige Canarios aufs Meer hinaus, um den Besiegten Kapitän ein Weingeschenk zu offerieren. Diese Geste war nicht ganz uneigennützig. Von diesem denkwürdigen Tag an bis zum französisch-britischen Frieden von 1815 wurde die britische Armee ein wichtiger Kunde kanarischen Weins.
Noch bis 1799 lauerten die Engländer auf eine Chance, wie aus Reiseberichten Alexander von Humboldts zu entnehmen ist. England musste die Hoffnung aufgeben, eines Tages die Kanaren zu besitzen. Hundert Jahre später ist es nach dem Verlust der letzten Koonien mit der Weltmacht Spanien zu Ende - die Kanarischen Inseln blieben dem Land jedoch erhalten.